Exkurs: was ist Podcast?
Stellt Euch vor, jemand spricht mehr oder weniger schlaue oder lustige Dinge in ein Mikrofon, nimmt diese dabei auf und stellt diese Dateien dann ins Internet. Wenn alle diese Aufnahmen in einer bestimmten Textdatei, dem Verzeichnis, auftauchen, dann ist es ein Podcast und davon gibt es da draußen jede Menge zu allen möglichen Themen. Wenn Ihr Radio nicht mehr hören mögt, dann sucht mal nach Podcasts smile
Und wir hört man solche Podcasts? Häufig kann man auf der entsprechenden Webseite des Autors die Dateien anhören aber das ist eher unpraktisch. Besser sind sogenannte Podcatcher oder Podcast-Clients. Das sind Anwendungen, die man mit den Verzeichnissen diverser Podcasts füttert und die dann regelmäßig nachsehen, ob es etwas Neues gibt. Sie laden die neuen Episoden automatisch herunter und so hat man jeden Morgen ein frisches Programm auf seinem Rechner oder Smartphone.
Podcatcher im Allgemeinen
Es gibt reichlich Programme um Podcasts zu abonnieren und zu hören. Einige sind sehr komplex, andere sehr einfach. Manche können die aktuellen Abspielpositionen einzelner Folgen über diverse Geräte hinweg synchronisieren, andere nicht. So verschieden die Anforderungen sind, so verschieden sind auch die Konzepte.
Von Apple selbst gibt es iTunes am Mac und die App “Podcasts” unter iOS. Es gibt Instacast, PocketCast, Downcast, iCatcher und einige mehr.
Hintergrund zu mir und meinen Anforderungen
Ich habe viele von diesen Apps gekauft und genutzt und war nie so richtig zufrieden. Oft hat mich die Bedienung gestört. Bei vielen, wenn nicht bei allen, liegen die Schaltflächen für “ganz zum Anfang” und “ein paar Sekunden zurück” so dicht zusammen, dass man schnell versehentlich den falschen drückt. Ärgerlich, denn gerade bei langen Folgen weiß man nicht wirklich genau, wie weit man schon war. Möchte man nur ein Kapitel weiterspringen und tippt etwas zu weit rechts, ist man plötzlich am Ende einer Folge oder die Folge wurde als gehört markiert und man befindet sich im nächsten Podcast.
Ich bin dann lange Zeit bei iCatcher hängen geblieben. iCatcher unterstützt Kapitelmarken und lässt sich recht gut mit Gesten steuern. Das ist im Auto praktisch, wenn das iPhone in der Halterung steckt. Mit dem Finger nach rechts/links swipen um vor/zurück zu spulen. Finger rauf/runter um die Abspielgeschwindigkeit rauf/runter zu setzen. Witzig: Malt man ein großes L aufs Display, springt man 2 Minuten vor – der Leo-Jump (Leo Laporte macht häufig längere Werbepausen, daher wohl der Name) smile
Das Problem, was aber alle von mir getesteten Player haben: Spielt man die Folgen schneller ab, dann klingt es nicht mehr besonders schön. Es gluckst und springt, irgendwie digital verunstaltet.
Ich möchte von einem mobilen Podcast Client also folgende Dinge:
- Podcasts abonnieren / neue Folgen müssen automatisch geladen werden
- Playlisten. Bestimmte Podcasts möchte ich nicht in der täglichen Rotation haben sondern hören, wenn mir danach ist. Das können auch Hörbuch-Podcasts sein. Ich möchte also eine Liste anlegen können mit Regeln wie “Alle Podcasts, außer xyz”
- Unterstützung für Kapitelmarken
- Gute / sichere Bedienung. Also entweder schön große Schaltflächen oder einfache Gestensteuerung
- Gute Audioqualität
Overcast.fm
Nach langer Ankündigung hat nun Marco Arment – einigen vielleicht von Instapaper bekannt – einen weiteren Podcast-Client in den App-Store geschoben: Overcast.fm. Noch ein Client? Taugt der was? Was macht der anders?
Was vielen nicht schmecken wird: Man benötigt einen Account bei overcast.fm. E-Mail und Passwort sind erforderlich. Wozu das? Overcast ist als Client-Server-Lösung konzipiert. Die Podcast-Abos werden auf dem Server verwaltet und der Server kümmert sich darum, dass nach neuen Folgen Ausschau gehalten wird. Erst wenn es neue Folgen gibt, informiert der Server den Client und dieser lädt die Folge dann herunter. Das entlastet das mobile Gerät, weil es nicht ständig alle abonnierten Podcast-Feeds aktualisieren muss, begibt einen aber in eine Abhängig zu einem Dienst, der im Grunde nicht notwendig wäre. Hier muss jeder selbst entscheiden, ob das in Frage kommt oder nicht.
Ein weiterer Vorteil der Serverlösung ist der Abgleich von Informationen über mehrere Geräte hinweg. So ist es egal, an welchem Gerät man neue Podcasts abonniert oder man anfängt eine Folge zu hören – alle Informationen stehen am anderen Gerät zur Verfügung und man kann eine Folge dort weiter hören, wo man am anderen Gerät abgebrochen hat. Das wäre natürlich auch über iCloud möglich aber Marco hat vermutlich aus gutem Grund einen eigenen Server aufgesetzt. Damit es nämlich auch möglich, Podcasts direkt im Browser zu hören. Zukünftig sind sicher weitere Dinge denkbar, die mit einem reinen Datenspeicher wie der iCloud nicht realisierbar wären – Ich denke da z. B. an automatische Flattr-Anbindung, das wäre doch mal etwas. Instacast bietet das derzeit über eine eigene Mac-App.
Und wie finde ich Overcast? Für das erste Release echt gelungen. Ja, es fehlt noch einiges aber vom Start weg ist das Teil einfach mal flott, aufgeräumt, gut zu bedienen – große Knöpfe, mit denen man nicht aus Versehen mal eben so an den Anfang des Podcasts springt – etc. Inzwischen gibt es schon das erste Update. Die Doppelpfeile (zum vor-/zurückspulen) sind durch runde Pfeile ersetzt worden, was die Bedienung viel klarer macht, die Schrift wurde etwas größer und damit lesbarer etc.
Was ich sehr geil finde: Stille Passagen überspringen! Es gibt einige Podcasts, in denen längere Pausen vorkommen. Auf Dauer nervt mich das beim anhören. Overcast überspringt diese stillen Passagen und zwar so geschickt, dass es überhaupt nicht auffällt. Richtig klasse.
Und noch geiler: Schneller als 1x hören geht zusätzlich und klingt dabei um Längen besser als bei allen Alternativen die ich kenne (Instacast, PocketCast, iCatcher). Keine Artefakte oder ähnliches. Sauber.
Und bei Podcasts mit schwächerer Audioqualität kann man einfach einen Knopf aktivieren und schon wird es hörbar. Hier sorgt ein automatischer Equalizer und Kompressor dafür, dass die Lautheit auf ein einheitliches Niveau angehoben wird. Zum hören im Auto sehr praktisch oder wenn man mit Kopfhörern in lauter Umgebung sitzt.
Toll finde ich, dass man alle Funktionen kostenlos testen kann. Danach kann man per In-App-Kauf knappe 5 Euro einwerfen um die Funktionen dauerhaft freizuschalten. Mir ist es das wert gewesen. Gute Software muss Geld kosten, ansonsten wird sie nicht lange überleben.
Fazit
Mein Fazit ist vorläufig, da ich erst wenige Stunden Podcast mit Overcast gehört habe. Allein die Audio-Qualität beim schnelleren Hören hat mich umgehauen. Die großen Schaltflächen lassen mich schnell ein paar Sekunden zurück spulen, wenn ich etwas nicht richtig verstanden habe. Dabei ist kein Knopf auf der Oberfläche, der mich versehentlich zum Anfang oder zum Ende schickt. Klasse!
Geschwindigkeit und das Überspringen von Pausen lässt sich pro Podcast einstellen. Playlisten können angelegt werden und auch etwas intelligenter gefüllt werden (u. a. “Alle außer…”)
Kapitel kann Overcast noch nicht. Hier hoffe ich auf baldige Weiterentwicklung. Streaming gibt es noch nicht, wird laut Marco aber mit iOS8 kommen. Hintergrund ist das Audio-Processing, dass die Datei local benötigt. Vermutlich gibt es mit iOS8 andere Möglichkeiten, die das auch als Stream ermöglichen.
Ich hoffe, dass Marco lange Spaß an Overcast haben wird. Instapaper hat er inzwischen verkauft. Sollte das mit Overcast passieren ist natürlich nicht klar, wie es dann weitergehen würde… Allerdings kann auch jeder andere Entwickler die Arbeit an seiner App jederzeit einstellen, insofern ist das also kein Argument für oder gegen Overcast.
Wem Overcast schon wieder zu viel kann, der sollte sich mal Castro anschauen. Total simples Design, wenig Funktionen aber ebenfalls richtig gute Audioqualität wenn Episoden beschleunigt abgespielt werden.
Mit Instacast ist seit einiger Zeit das Autoflattr gespielter und/oder gefavter Folgen auch wieder mit der iPhone App möglich – genau über den von dir beschriebenen Weg der Wolke. Schau dir mal https://instacastcloud.com/ an :)
Hey cool! Danke für das Update :)